Weitergeleitet von Schenkelhernie

Eingeweidebruch

Dmitry Naumov/Shutterstock.com
Eine Leistenhernie tritt besonders oft bei männlichen Säuglingen oder Senioren auf.

Eingeweidebruch (Hernie): Sack- oder beulenartige Ausstülpung des Bauchfells (Bruchsack) durch eine Lücke in der Bauchwand (Bruchpforte, Bruchring). Der Bruchsack enthält Eingeweide, Organteile oder Fettgewebe. Mit 75 % ist der Leistenbruch (Leistenhernie) die häufigste Form der Eingeweidebrüche; betroffen sind vor allem männliche Säuglinge und ältere Männer. Die Schenkelhernie ist mit 10 % die zweithäufigste Form und betrifft besonders oft Frauen ab 50 Jahren.

Eingeweidebrüche lassen sich nur operativ beheben. Ob und wann ein Eingeweidebruch operiert werden muss, hängt von seiner Lage und den Beschwerden ab, die er verursacht. Dringend ist eine Operation immer, wenn sich Organteile (insbesondere Darmschlingen) in der Bruchpforte einklemmen (Brucheinklemmung, Hernieninkarzeration) und ein Darmverschluss und damit ein Absterben von Darmschlingen droht.

Leitbeschwerden

  • Äußerlich sichtbares Vorwölben der Bauchdecke, ständig oder nur beim Husten oder beim Pressen während des Stuhlgangs
  • Gar keine oder leichte Schmerzen; wenn Schmerzen bestehen, dann oft nur bei Belastung oder beim Pressen
  • Stärkste Schmerzen über der Vorwölbung bei Einklemmung von Darmwandanteilen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten zwei Wochen, wenn

  • eine schmerzlose oder schmerzhafte Vorwölbung im Leisten- oder Nabelbereich bemerkt wird.

In den nächsten Stunden, wenn

  • eine Vorwölbung im Bauchbereich besteht und im vorgewölbten Bauchwandbereich plötzlich starke Schmerzen auftreten oder wenn plötzliche Verdauungsprobleme hinzutreten. Beides weist auf eine Einklemmung von Darmschlingen hin.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Ursachen

Normalerweise ist die Bauchwand durch sich überlagernde Muskelschichten vollständig geschlossen, sodass die Eingeweide auch bei erhöhtem Druck im Bauchraum, etwa beim Husten, immer in ihrer Position gehalten werden. In manchen Fällen hält die Bauchwand aber dem Druck von innen nicht mehr stand, sodass sie an ihren natürlichen Schwachstellen – das sind die Durchtrittsstellen von Blutgefäßen, Nerven oder Muskeln – auseinanderweicht. So entstehen Bruchpforten, durch die beim Niesen, Husten, Heben schwerer Lasten oder starken Pressen während des Stuhlgangs die Eingeweide nach außen treten und dann als Vorwölbung (Bruchsack) sicht- und tastbar sind. Ursachen für die Schwächung der Bauchwand sind z. B.

  • schwache Bauchmuskulatur
  • angeborene Bindegewebsschwäche
  • Schäden nach Operationen
  • Übergewicht
  • Schwangerschaft
  • chronischer Husten
  • Verletzungen.

Formen

Brüche oder Hernien lassen sich in verschiedene Formen einteilen:

Erworbene Hernien sind Brüche, die durch äußere Umstände begünstigt werden, vor allem durch häufiges Heben schwerer Lasten oder häufiges Bauchpressen, z. B. bei chronischer Verstopfung. Dagegen entstehen die selteneren angeborenen Hernien durch einen unvollständigen Bauchdeckenschluss in der vorgeburtlichen Entwicklung.

Lässt sich die Vorwölbung von Hand beheben oder gleitet sie von selbst wieder zurück, liegt eine reponible Hernie vor. Verwachsungen zwischen Bruchinhalt und Bruchsack können dazu führen, dass der Eingeweidebruch nicht mehr zurückgeschoben werden kann (irreponible Hernien). Ist die Hernie in die Bruchpforte eingeklemmt, spricht man von einer inkarzerierten Hernie.

Neben sicht- und tastbaren äußeren Hernien gibt es auch innere Hernien, die von außen nicht sichtbar sind. Die häufigste innere Hernie ist der Zwerchfellbruch (Hiatushernie). Seltener sind sie z. B. im Dammbereich (perineale Hernien) oder im kleinen Becken (Hernia obturatoria, Hernia ischiadica) lokalisiert.

Lokalisation

Prinzipiell ist ein Eingeweidebruch überall im Bauchraum möglich; hier eine Übersicht:

Leistenbruch. Der Leistenbruch (Leistenhernie, Inguinalhernie) tritt meist im Schritt über dem Leistenband in Erscheinung. Neugeborene und Kinder sind überwiegend von einem angeborenen Leistenbruch betroffen, bei dem der Bruchinhalt entlang des Samenstrangs (der Kanal, der den Samenleiter enthält) oder des Mutterbands (der analogen Struktur bei Mädchen) austritt. Der erworbene Leistenbruch kommt dagegen meist bei Erwachsenen vor, insbesondere bei Männern in höherem Lebensalter. In diesem Fall tritt der Bruchinhalt direkt durch die geschwächte Bauchmuskulatur des Leistenkanals aus dem Bauchraum in Richtung Hodensack aus. Bei Männern operieren die Ärzte den Leistenbruch, wenn dieser größer wird oder Beschwerden verursacht, wie z. B. Schmerzen oder Probleme beim Wasserlassen. Leistenhernien bei Frauen sollten immer operiert werden.

Schenkelhernie. Bei der Schenkelhernie (Femoralhernie, Hernia femoralis) liegt die Bruchpforte unterhalb des Leistenbands; die Vorwölbung ist meist auf der Oberschenkelinnenseite zu erkennen; sie kann aber auch fehlen. Betroffen sind fast ausschließlich Frauen im mittleren und höheren Lebensalter. Weil die Bruchpforte sehr eng ist, birgt die Schenkelhernie ein besonders hohes Risiko der Einklemmung und wird – sofern keine anderen Erkrankungen dagegensprechen – rasch operiert.

Nabelhernie. Bei der Nabelhernie (Hernia umbilicalis) zeigt sich die Vorwölbung an der Nabelöffnung; sind Säuglinge betroffenen, bildet sich die Nabelhernie oft innerhalb des 1. Lebensjahres von selbst zurück (Spontanverschluss). Bei Erwachsenen wird wegen der relativ hohen Einklemmungsgefahr wenn möglich operiert.

Narbenhernie. Bei der Narbenhernie entsteht der Bruch im Bereich einer Operationsnarbe; sie tritt als Komplikation bei bis zu 10 % aller großen Bauchoperation auf und ist Folge einer gestörten Wundheilung oder einer generalisierten Bindegewebsschwäche.

Wiederholte Eingeweidebrüche. Jeder vierte Eingeweidebruch ist eine Rezidivhernie, d. h. der Erfolg einer vorangegangenen Operation des Eingeweidebruchs war nicht von Dauer. Hier operieren die Ärzte den Bruch ein zweites Mal. War die erste Operation ein offenes Verfahren, gehen sie bei der Rezidivoperation meist minimal-invasiv vor (siehe unten).

Komplikationen

Gefürchtete Komplikation jedes Eingeweidebruchs ist die Einklemmung des Bruchinhalts in der Bruchpforte (Inkarzeration). Hier muss immer sofort operiert werden, da das Absterben der eingeklemmten Darmanteile droht.

Diagnosesicherung

Meist schildert der Patient recht genau, wie und wann sich sein Bruch zeigt. Der Arzt untersucht dann die Bruchpforte und ihre Gegenseite im Stehen und im Liegen. Wölbt sich der Bruch nicht schon von allein vor, lässt er den Patienten husten oder pressen, um die Vorwölbung zu provozieren. Mit einer Ultraschalluntersuchung bestätigt der Arzt die Diagnose und stellt den Bruchinhalt dar, manchmal hört er den Bruchsack auch auf Darmgeräusche ab. Hat der Arzt Zweifel bezüglich Lage und Ausmaß der Hernie, veranlasst er zur Klärung eine MRT oder CT.

Differenzialdiagnosen. Vorwölbungen im Leistenbereich entstehen auch durch Lipome (Fettgewebsgeschwülste), Lymphknotenschwellungen und Gefäßerweiterungen wie z. B. ein Aneurysma der Femoralarterie (Oberschenkelarterie). Vorwölbungen im Nabelbereich kommen auch bei der Rektusdiastase vor.

Behandlung

Operative Behandlung

Wegen der Einklemmungsgefahr ist jeder Eingeweidebruch eine Indikation zur Operation (Bruchlückenverschluss, Hernioplastik), wobei der Arzt zu einem Zeitpunkt operiert, an dem der Patient (fast) keine Beschwerden hat. Ziel ist, den Bruchinhalt in den Bauchraum zurückzuverlagern, die Bruchpforte zu schließen und die Bauchwand so zu verstärken, dass sie künftig dem Bauchinnendruck standhalten kann. Ausnahme ist der unauffällige Leistenbruch beim Mann: hier darf zunächst unter regelmäßigen Kontrollen abgewartet werden. Die Operation steht dann an, wenn der Bruch Beschwerden verursacht oder größer wird.

In Frage kommt entweder die klassische offene Operation oder – immer öfter – die minimal-invasive laparoskopische Technik.

  • Bei der offenen Operation nach Shouldice legen die Ärzte den Bruchsack über einen Schnitt frei, öffnen den Bruchsack und drücken den Inhalt zurück in die Bauchhöhle. Anschließend verschließen sie die Bruchpforte oder engen sie stark ein. Zur Stabilisierung der Bauchwand werden die Ränder der Bauchwandschichten meist überlappend vernäht (Fasziendopplung).
  • Bei größeren Brüchen verstärken die Ärzte die Naht zur Vorbeugung eines wiederholten Eingeweidebruchs (Rezidivhernie) mithilfe von Kunststoffnetzen (Operation nach Lichtenstein).

Minimalinvasive Verfahren setzen die Ärzte vor allem bei Rezidivhernien, bei beidseitigen Hernien und bei allen Hernien der Frau ein. Weil sich die Patienten schon 3–4 Wochen nach dem Eingriff körperlich wieder belasten können, bieten sich diese Verfahren auch bei Patienten an, die schnell wieder fit sein müssen.

  • Transabdominelle präperitoneale Hernioplastik (TAPP): Beim laparoskopischen Zugang erfolgt der Verschluss von innen durch die Bauchhöhle. Über kleine Schnitte führen die Ärzte das Endoskop und die nötigen Instrumente ein und drücken den Bruchinhalt zurück an seinen Platz. Danach schieben sie ein Kunststoffnetz bis zur Bruchpforte und nähen oder klammern es von innen an.
  • Total extraperitoneale Hernioplastik (TEP): Eine Variante der minimal-invasiven Behandlung des Leistenbruchs ist die TEP-Technik über eine Bauchdeckenspiegelung. Hier schieben die Ärzte Endoskop und Instrumente nicht durch die Bauchhöhle, sondern zwischen Haut und Bauchfell ein und bis zum Bruch vor. Der Bruchinhalt wird zurückgedrückt und ein Kunststoffnetz zwischen Bauchmuskulatur und Bauchfell platziert, das die Bruchpforte dann von innen verschließt. Durch die Lage zwischen Bauchmuskulatur und Bauchfell muss das Netz nicht angenäht oder geklammert werden, es hält sozusagen von selbst.
  • Transinguinale präperitoneale Plastik (TIPP): Minimalinvasives Verfahren zur Behandlung der Schenkelhernie, bei der die Ärzte über einen Zugang von der Leiste aus ebenfalls ein Kunststoffnetz einlegen.

Notfalloperation

Bei einem Bruch mit eingeklemmtem Darmgewebe operieren die Ärzte sofort, damit der eingeklemmte Darm nicht abstirbt. Diese Notfalloperation hat ein hohes Risiko, jeder 5. Patient stirbt daran.

Bruchband

Ein Bruchband, das durch mechanischen Druck von außen die Ausstülpung des Bruchsacks vermeiden soll, wird heute nur noch dann verordnet, wenn eine Operation nicht möglich ist oder verweigert wird. Es kann die Ursache nicht beheben und zudem durch den Druck von außen die Haut und das darunter liegende Gewebe schädigen. Außerdem führt ein Bruchband dazu, dass die Muskulatur der Bauchwand durch die ständige Unterstützung immer schwächer wird.

Prognose

Leistenbrüche tauchen nach einer Operation in bis zu 10 % der Fälle wieder auf und müssen dann erneut versorgt werden (sog. Rezidivhernien). Bei einem eingeklemmten Leistenbruch beträgt die Sterblichkeit trotz Operation etwa 20 %.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Bauchdecke schonen. Vermeiden Sie nach der Bruchoperation eine starke Belastung der Bauchdecke so lange, bis die Operationsnaht vollständig geheilt und vernarbt ist. Halten Sie sich während der ersten Tage auch beim Lachen zurück und unterdrücken Sie Schluckauf soweit wie möglich. Legen Sie beim Husten und Niesen immer eine Hand auf den Bauch – so sorgen Sie für einen Gegendruck.

Verstopfung vermeiden. Wichtig ist, dass Sie auf einen weichen Stuhlgang achten. Trinken Sie möglichst viel und fügen Sie ihrer Nahrung Lein- oder Flohsamen hinzu (Selbsthilfe bei Verstopfung).

Bewegung einschränken. Verzichten Sie nach der Operation 3–4 Wochen auf körperliche Aktivitäten. Danach sind leichte Tätigkeiten wie Schwimmen und das gelegentliche Heben von Lasten (weniger als 10 kg) erlaubt. Mittelschwere Tätigkeiten wie Joggen und Radfahren sind nach 6 Wochen, schwere Tätigkeiten wie Gewichtheben und Leistungssport nach 12 Wochen wieder erlaubt.

Schonzeit einhalten. Nach Einsetzen von Netzmaterial ist bei komplikationsloser Wundheilung die Belastbarkeit nach etwa 6–8 Wochen wieder möglich. Wurden Sie laparoskopisch operiert, dürfen Sie sich schon nach etwa 3–4 Wochen wieder voll belasten.

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 22:10 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.