In der langen Geschichte Chinas entstand eine Vielzahl von medizinischen Heilverfahren. Manche davon wurden auch im kommunistisch geprägten modernen China beibehalten. Sie fanden unter dem Begriff der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ihren Weg in den Westen.
Die TCM stützt sich auf viele Säulen, die zusammen ein komplexes Heilsystem ergeben, darunter die Akupunktur und das daran angelehnte Verfahren der Moxibustion (Wärmebehandlung der Akupunkturpunkte), Arzneimittelkunde, Ernährungslehre, meditative Übungstechniken wie Tai Chi und Qigong sowie die Tuina-Massage. Im Westen am häufigsten angewendet wird die Akupunktur.
TCM ist aber nicht nur eine Behandlungsmethode – viele ihrer Bestandteile, wie etwa die Ernährungslehre und die körperübenden Verfahren – sind vorbeugender Natur.
Yin und Yang – das Grundprinzip der TCM
Die Denkweise der Traditionellen Chinesischen Medizin ist in unseren Breiten aus mehreren Gründen ungewohnt: Während die moderne Medizin versucht, einen Defekt möglichst genau zu lokalisieren und diesen dann zu behandeln, nimmt die TCM bei gesundheitlichen Problemen eine Störung von Kräfteströmen an, die normalerweise unseren Organismus im Gleichgewicht halten – und dieses Gleichgewicht beschränkt sich keineswegs auf unseren Körper, sondern bezieht den sozialen Organismus, ja sogar den Kosmos mit ein. Eine zentrale Rolle in diesem Konzept nimmt die Lebensenergie Qi (sprich Tschi) ein. Sie wird durch ein ausgewogenes Wechselspiel der beiden Lebenspole Yin und Yang im Fluss gehalten. Yin und Yang verkörpern dabei unterschiedliche Prinzipien des Lebens, die oft mit „Schattenseite“ und „Lichtseite“ in Verbindung gebracht werden – Yin steht für Ruhe, Passivität und Kälte, während Yang Dynamik, Aktivität und Hitze einschließt.
Die Traditionelle Chinesische Medizin geht davon aus, dass die Lebensenergie Qi Grundlage jeder Substanz ist und allem Lebendigen innewohnt. Während das kosmische Qi im Wasser der Flüsse, in der Luft und im Wind fließt, konzentriert sich das Qi im menschlichen Körper in den Organen und strömt in einem energetischen Netzwerk von Kanälen oder Leitbahnen, den Qi-Kanälen, durch den Körper. Diese Kanäle verlaufen von Pol zu Pol, d. h. von Kopf bis Fuß, und sind damit dem Meridiansystem der Erde vergleichbar. Sie werden deshalb oft auch Meridiane genannt.
Die Lebensenergie Qi hat unterschiedliche Funktionen: Sie schützt, ernährt, erwärmt, transportiert, kontrolliert und verwandelt. Gesundheit liegt dann vor, wenn die Lebensenergie ausgewogen vorhanden ist und sich austauschen, d. h. ungehindert fließen kann. Krankheit entsteht dann, wenn der Energiefluss behindert ist.
Die Ausbildung zum TCM-Behandler ist nicht genau festgelegt, die meisten Ausbildungsgänge richten sich jedoch nach Empfehlungen von TCM-Dachverbänden und dauern 3–4 Jahre. Die Anforderungen sind hoch. Viele der privaten Ausbildungsinstitute setzen Praktika an chinesischen TCM-Kliniken voraus.
Durchführung. Die Diagnose wird durch Befragung sowie durch eine genaue Betrachtung des Patienten gestellt – letztere beschränkt sich auf die am bekleideten Patienten zugänglichen Körperregionen Augen, Haut, Haltung und Zunge. Zudem wird der Puls an verschiedenen Körperpunkten beurteilt. Dabei werden bis zu 28 verschiedene Pulsqualitäten unterschieden.
Die festgestellte Erkrankung wird meist durch eine mehrmals täglich einzunehmende Arzneimischung aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Komponenten behandelt. In vielen Fällen werden weitergehende Verfahren wie die Akupunktur, Moxibustion oder eine der Übungs- oder Massagemethoden verordnet.
Anwendungsbereiche. Die TCM behandelt alle Krankheiten, die meisten Anwender im Westen sehen sie jedoch zumindest bei schwerwiegenden Erkrankungen als ergänzendes Verfahren. Auch im heutigen China werden westliche Medizin und TCM parallel angewendet. Schwerpunkte der Behandlung sind chronische Krankheiten und Schmerzzustände.
Bewertung. Die TCM beruht auf Traditionen und Konzepten, die nicht 1:1 auf die hiesige Situation übertragbar sind. Während die Verfahren der TCM traditionell vor allem vorbeugend eingesetzt wurden, liegt der Schwerpunkt der westlichen Anwendungen auf der Therapie von Erkrankungen. Wissenschaftliche Untersuchungen attestieren der TCM Wirksamkeit bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen. Allerdings entsprechen nur die wenigsten dieser Studien den heute geforderten Standards zum Nachweis einer spezifischen Wirkung, sodass eine verlässliche Wertung derzeit nicht möglich ist.
- www.dwgtcm.de – Internetseite der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin e. V., Osnabrück: Informationen zu den einzelnen Therapieverfahren der TCM, mit Datenbank zur Literatur- und Studienrecherche.
- www.agtcm.de – Internetseite der Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e. V., Berlin: Fachlich fundierte Patienteninformation einschließlich Forum und weiterführenden Links.
- www.tcm-germany.de – Internetseite des Mercurius Kolleg für Chinesische Medizin, Köln: Übersichtlich gestaltete Internetseite mit Fach- und Patienteninformationen, Therapeutenliste und Literaturverweisen.
- H. Beinfield; E. Korngold et al.: Traditionelle Chinesische Medizin. Grundlagen – Typenlehre – Therapie. dtv, 2005. Fundierte und verständliche Einführung in die TCM und ihre Hintergründe. Ein gutes Nachschlagewerk mit zahlreichen Schaubildern.
- T. J. Kaptchuk: Das große Buch der chinesischen Medizin. Die Medizin von Yin und Yang in Theorie und Praxis. Fischer, 2006. Neuauflage des 1989 erstmalig auf Deutsch erschienenen Standardwerks, das die Grundlagen, Diagnose- und Therapieverfahren der chinesischen Medizin sehr anschaulich beschreibt und differenziert in die westliche Tradition einordnet bzw. von ihr abgrenzt.
Weiterlesen: Die verschiedenen Heilverfahren in Listenform