Karies (Zahnfäule, Caries dentum): Zerstörung der Zahnsubstanz durch Abbauprodukte von Mundbakterien. Bakterien im Zahnbelag zersetzen winzige Essensreste; dabei entsteht Säure, die den Zahnschmelz allmählich entkalkt. Dieser Prozess ist anfangs noch umkehrbar und lässt sich durch regelmäßige Fluoridzufuhr und gute Zahnreinigung rückgängig machen.
Bei fortschreitender Zerstörung entsteht erst eine weiche Stelle, später ein kleines Loch im Zahnschmelz. Nun ist die Beschädigung des Zahnschmelzes nicht mehr umkehrbar, sondern muss durch eine Füllung repariert werden. Geht die Zerstörung weiter, greift die Karies das Zahnbein an und noch später sogar den Zahnnerv.
Karies wird von mehreren Faktoren begünstigt:
- Zahnbelägen
- Kariesfördernden Bakterien
- Zucker und anderen kurzkettigen Kohlenhydraten (z. B. in Chips, Nudeln, Reis oder Weißbrot), aus denen Kariesbakterien Säure bilden können
- Zu wenig Speichel
- Großen Zeitspannen zwischen Essen und Zahnreinigung
- Asthma, vor allem bei Kindern.
Je früher etwas gegen Karies unternommen wird, desto geringer fallen die Schäden aus. Unbehandelte Karies ist bei Menschen unter 35 der häufigste Grund für den Verlust von Zähnen.
Leitbeschwerden
Im Anfangsstadium:
- Kleine, zunächst weißliche, später hell- bis dunkelbraune, im Endstadium schwarze Zahnverfärbungen
- Gesteigerte Wärme- und Kälteempfindlichkeit
- Empfindlichkeit gegen Süße.
Im fortgeschrittenen Stadium:
- Schmerzen
- Schwellung und/oder Blutung des Zahnfleischs
- Weiche Stellen im Zahn
- Abbrechende Zahnteile.
Wann in die Arztpraxis
In den nächsten zwei Wochen, wenn
- Sie spontane Schmerzen haben, die länger als fünf Minuten anhalten
- Sie dunkle Stellen oder Löcher an Ihren Zähnen bemerken und schon länger als drei Monate nicht beim Zahnarzt waren
- Zähne plötzlich temperaturempfindlich werden
- Sie eine Schwellung und Entzündung am Zahnfleisch bemerken.
Heute noch, wenn Zahnteile abbrechen oder Schmerzen unerträglich werden.
Erste Hilfe
Gegen Schmerzen durch ein Loch im Zahn helfen einfache Hausmittel: Spülen Sie den Mund mit kaltem Wasser, bestreichen Sie den Zahn mit Nelkenöl, kauen Sie eine Gewürznelke oder legen Sie sie in das Loch ein. Ein nicht zu heißer Kamillentee wirkt bei Kindern ebenfalls schmerzlindernd.
Wenn Sie Schmerzen haben, sollten Sie am nächsten Werktag zum Zahnarzt gehen. Für besonders dringende Fälle existiert an Wochenenden und Feiertagen ein zahnärztlicher Notdienst.
Die Erkrankung
Es ist ganz natürlich, dass in der Mundhöhle eine große Zahl von Bakterien lebt. Einige von ihnen sind sogar sehr nützlich: Sie beginnen bereits im Mund mit der Verdauung und halten schädliche Bakterien in Schach. Die kariesauslösenden Bakterien (vor allem Streptokokkus mutans und Laktobazillen) sind bei der Geburt noch nicht im Mund vorhanden, werden jedoch meist schon in den ersten Lebensjahren durch die Eltern oder Geschwister auf Kinder übertragen. Karies ist darum eine Infektionskrankheit.
Einmal in der Mundhöhle vorhanden, halten sich die Karies auslösenden Bakterien dort hartnäckig. Werden die Zähne nach dem Essen nicht oder nicht gründlich genug geputzt, bleiben kleine Speisereste auf, an und zwischen den Zähnen zurück. Bakterien besiedeln sie sofort und beginnen mit der Zersetzung der Speisereste. Vor allem beim Abbau von Zucker und anderen kurzkettigen Kohlehydraten produzieren die Bakterien Säure (z. B. Milchsäure) als Abfallprodukt. Die Säure entkalkt den Zahnschmelz, indem sie das harte Hydroxylapatit teilweise auflöst.
Eine neue Studie bestätigt, dass nicht ein einzelner Erreger als Ursache von Karies identifiziert werden kann. Vielmehr ist das Zusammenspiel mehrerer Keime entscheidend. So deutet beispielsweise vieles darauf hin, dass der Hefepilz Candida albicans die kariesfördernde Wirkung des Streptokokkus mutans verstärkt.
Nachdem die Zahnbeläge entfernt sind, erkennt man deutlich die entkalkten Stellen am Zahnhals. In diesem Stadium ist die Substanz noch nicht geschädigt und Karies lässt sich durch gute Mundhygiene und Fluorideinsatz besiegen.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Kariesstadien. Bei Karies im Anfangsstadium, so genannter Initialkaries (Kreidefleck, White spot), ist die entkalkte und damit kariesanfällige Stelle nur als weißer Fleck zu sehen. In dieser Phase befällt Karies nur den Zahnschmelz und die Zerstörung lässt sich durch intensive Mundhygiene und Fluoridierung noch abwenden.
Im weiteren Verlauf verfärbt sich die betroffene Stelle gelblich-bräunlich und wird weich. Nach und nach dringt die Karies durch den Zahnschmelz, meist nur an einer kleinen Stelle, bis sie das Zahnbein erreicht. Dort dehnt sie sich schnell in die Breite aus. Der Zahnschmelz wird auf diese Weise vom Dentinkaries praktisch untergraben, bis er eines Tages plötzlich beim Kauen wegbricht. Oft macht sich die Karies erst jetzt durch Schmerzen bemerkbar, auch wenn sie schon seit Wochen in den Zahn eingedrungen ist.
Bei der tiefen Zahnkaries (Caries profunda) hat die Karies an der betroffenen Stelle bereits zwei Drittel des Zahnbeins zerfressen. Große Schmerzen verursacht die Karies spätestens dann, wenn sie sich bis zum Nerv vorgearbeitet hat und sich dieser entzündet.
Das macht der Arzt
Bei dieser Patientin hat sich im Zahnzwischenraum Karies ausgebreitet und zwei Backenzähne angegriffen (links im Bild).
Dr. med. dent. Gisbert Hennessen, Bad Wörishofen
Bei der Kariesdiagnostik lokalisiert der Zahnarzt als Erstes den betroffenen Zahn. Zuerst sucht er mit dem Auge nach auffälligen Stellen wie Löchern oder Verfärbungen. Verfärbte Stellen tastet er mit einer Sonde ab, um weiche Stellen im Zahnschmelz von ungefährlichen Verfärbungen zu unterscheiden. Bei Verdacht auf Karies an schwer einsehbaren Stellen, z. B. Zahnzwischenräumen, wird anschließend pro Kieferseite ein Röntgenbild gemacht, um den genauen Kariespunkt aufzudecken.
Mit einer speziellen Diagnosesonde lässt sich Karies auch von außen, durch die gesunde Zahnsubstanz hindurch, feststellen. Diese erst seit Kurzem praxisreife Technik basiert auf einer Laserfluoreszenzmessung, die anhand der Reflexionen eines Laserstrahls durch das Zahngewebe den Grad der Zerstörung unter der vermeintlich intakten Zahnoberfläche ermittelt.
Eine kariöse Stelle muss behandelt werden, sobald der Zahnschmelz an der Oberfläche weich wird. Bevor der Zahnarzt das erkrankte Gewebe entfernt, gibt er dem Patienten auf Wunsch eine Betäubungsspritze. Mit einem schnellen Bohrer schafft er im ersten Schritt die äußere Form für die spätere Füllung, bevor er im zweiten Schritt mit einem langsamen Bohrer das gesamte erkrankte Gewebe sorgfältig entfernt. Gelingt das nicht vollständig, bildet sich unter der Füllung neue Karies (Kariesrezidiv). Während des Bohrens wird der Zahn mit Wasser gekühlt, denn zu starke Hitze schädigt sonst den Zahnnerv.
Am Ende verschließt der Arzt das Loch mit einer Füllung, damit der Patient wieder normal kauen kann. Deren Ränder müssen hermetisch mit dem Zahngewebe abschließen, damit die Karies nicht erneut eindringt. Manchmal entsteht später erneut Karies am Rand einer Füllung (Sekundärkaries).
An all diesen Stellen kann Karies (grün) den Zahnschmelz auflösen. Wenn sie sich dem Nerv nähert, versucht sich der Zahn durch die Bildung von Reizdentin zu schützen. Dringen dennoch Erreger bis zum Nerv vor, entzündet sich dieser. Zahnfleischentzündungen und Parodontitis (rot) greifen die Verankerung des Zahns, den Zahnhalteapparat, an.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Behandlung bei Milchzähnen. Karies fängt oft schon im Kindes- und Jugendalter an: Im Durchschnitt haben Zwölfjährige bereits einen kariösen Zahn. Auch bei Kindern muss die Karies entfernt und das Loch gefüllt werden. Da Milchzähne weicher als die bleibenden Zähne sind und eine andere Struktur haben, füllt man die Löcher häufig mit Kompomeren (einer Mischung aus Kunststoff und Zahnzement). Diese Mischung hält zwar nicht so lange wie andere Füllmaterialien, da Milchzähne aber nur etwa 6–10 Jahre im Mund bleiben, reicht ihre Lebensdauer trotzdem aus.
Vorsorge
Durch gute Zahnpflege und regelmäßige Routineuntersuchungen besteht die Möglichkeit, bis ins hohe Alter die eigenen kariesfreien Zähne zu erhalten. Die Verwendung fluoridhaltiger Zahncremes erhöht die Wirksamkeit der Zahnpflegemaßnahmen nochmals deutlich.
Da Löcher nicht verheilen, sondern nur zu reparieren sind, hilft zur Vermeidung nur konsequente und richtige Pflege. Neben der Häufigkeit des Putzens spielen auch die richtige Putztechnik sowie die Wahl der Zahnpasta und der Hilfsmittel eine Rolle bei der richtigen Mundhygiene.
Sondertext: Kariesbehandlung ohne Bohren?
Eine Impfung gegen die kariesfördernden Bakterien ist zurzeit noch Zukunftsmusik. Kleinkinder können aber ein Stück weit vor diesen Bakterien geschützt werden, indem Eltern oder Geschwister z. B. keine Schnuller in den Mund nehmen oder Besteck mit dem Kind teilen.
Auch einige einfache Ernährungstipps senken die Kariesgefahr: Süße, saure und klebrige Speisen und Getränke spielen der Karies in die Hände. Sie müssen sich das Naschen oder die Limonade nicht komplett verkneifen, es hilft schon viel, wenn die „gefährlichen" Lebensmittel nicht über einen längeren Zeitraum nebenbei konsumiert werden. Der Zahnschmelz braucht zwischendurch Zeit, um sich von den Säureattacken zu erholen (unter Zahnärzten gilt als Faustregel, dass nach 200 Säureangriffen an der gleichen Stelle ein Loch entsteht). Also besser ein- oder zweimal am Tag etwas Süßes essen und danach die Zähne putzen, als über den Tag verteilt immer wieder eine Kleinigkeit naschen. Tagsüber und bei nächtlichem Durst sollte die Limonade durch ungesüßten Kaffee und Tee, Wasser oder ein anderes zuckerfreies Getränk ersetzt werden.
Einen natürlichen Kariesschutz bietet ungesüßter Schwarz- oder Grüntee. Tee ist eines der wenigen Lebensmittel, das Fluoride in nennenswerten Mengen enthält. Zudem hemmen die enthaltenen Gerbstoffe Entzündungen und behindern die Umwandlung von Stärke in Traubenzucker – die kariesfördernden Bakterien produzieren so weniger Säure. Grüntee führt im Gegensatz zu Schwarztee auch bei regelmäßigem Konsum nicht zu Zahn-Verfärbungen. Für Kinder ist grüner und schwarzer Tee wegen des Koffein-Gehaltes jedoch nicht geeignet.
Aus Studien ergab sich ein weiterer Ansatz für die Kariesvorsorge: demnach reduziert der Zuckeraustauschstoff Xylit das Risiko für Karies um bis zu 70 % – und zwar unabhängig davon, ob Xylit über die Nahrung aufgenommen oder als Kaugummi gekaut wird. Für einen kariesvorbeugenden Effekt müssen allerdings fünf xylithaltige Kaugummis pro Tag gekaut werden.