Osteoporose (Knochenschwund): Systemische Knochenerkrankung, bei der die Knochenmasse abnimmt und sich die Knochenstruktur verändert, so dass die Knochen schon bei kleinen Unfällen, Belastungen oder auch ohne erkennbare Ursachen brechen können. Darüber hinaus treten schmerzhafte Minibrüche (Knochenrisse) auf, die zu schwer lokalisierbaren Schmerzen am gesamten Rumpf führen können. Die Osteoporose stellt als Volkskrankheit ein großes gesundheitspolitisches Problem dar, in Deutschland sind schätzungsweise 7 Millionen Menschen betroffen (rund 80 % davon sind Frauen).
Außer als eigenständige Erkrankung (primäre Osteoporose) kann sich eine Osteoporose auch als Folgeerkrankung (sekundäre Osteoporose) bei Schilddrüsenerkrankungen, einem Diabetes, einer rheumatischen Erkrankung oder der Langzeiteinnahme von Kortison entwickeln.
Leitbeschwerden
- Knochenbrüche im höheren Lebensalter ohne passendes Trauma, v.a. von Wirbelkörpern, Oberschenkelhals und Elle
- Schwer lokalisierbare Schmerzen im Bewegungsapparat (v. a. Rücken und Brustkorb)
- Zunehmende Verkrümmung des Oberkörpers (Witwenbuckel)
- Abnahme der Körpergröße um mehr als 3 cm. In ausgeprägten Fällen sitzen die unteren Rippen auf den Beckenkämmen auf.
Die Erkrankung
Mit dem 25. Lebensjahr ist die Wachstumsphase beendet und die maximale Knochenmasse erreicht. Knochen werden aber auch später ständig umgebaut und erneuert. Bis etwa zum 45. Lebensjahr besteht ein Gleichgewicht zwischen der Aktivität knochenaufbauender Zellen (Osteoblasten) und knochenabbauender Zellen (Osteoklasten). Mit zunehmendem Alter überwiegt jedoch der Knochenabbau. Von den Osteoklasten gebildete Hohlräume werden nicht mehr vollständig aufgefüllt und es kommt zu einem kontinuierlichen Verlust an Knochensubstanz – bei Frauen etwa 1–2 % im Jahr, bei Männern 0,5–1 %. Mit zunehmendem Lebensalter wächst daher die Wahrscheinlichkeit, eine senile Osteoporose zu entwickeln. Mit der steigenden Lebenserwartung gewinnt die Osteoporose zunehmend an sozioökonomischer Bedeutung. In Westeuropa haben etwa ein Viertel aller 70-Jährigen und etwa die Hälfte der über 80-Jährigen osteoporotisch bedingte Wirbelbrüche und jeder 3. bzw. fast jede 5. 90-Jährige erleidet einen Oberschenkelhalsbruch, der häufig lange Krankenhausaufenthalte und den Verlust der Selbstständigkeit nach sich zieht.
Grundphänomen der Osteoporose ist der krankhafte Abbau von Knochenmasse im Alter. Aus der Grafik wird aber auch klar, dass es außerhalb dieses krankhaften Knochenabbaus auch einen physiologischen, also sozusagen normalen, Knochenabbau gibt: So hat jeder Hochbetagte über 80 Jahre die Hälfte seiner Knochenmasse gegenüber der jungen Erwachsenenperiode verloren. Besonders vom krankhaften Knochenabbau sind Menschen betroffen, die schon als 30-Jährige durch mangelhafte Ernährung und Bewegungsarmut wenig Knochenmasse gebildet haben – sie haben im Alter einen besonders starken Knochenabbau zu erwarten. Das größte Problem ist in den beiden unteren Bildern dargestellt: durch die Osteoporose ist vor allem die Wirbelsäule bedroht: besonders die horizontal verlaufenden Knochenbälkchen verschwinden, es kommt zum Einbruch der Wirbeldeckplatte und der gesamte Wirbel wird zusammengedrückt.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Zusätzlich zu den altersabhängigen Faktoren spielen die weiblichen Geschlechtshormone eine wichtige Rolle für Aufbau und Erhalt des Skeletts. Häufig entwickelt sich daher durch den Hormonmangel nach der Menopause eine postmenopausale Osteoporose. Allerdings erkranken 70 % der Frauen nicht, d. h. neben dem Hormonmangel spielen noch weitere Faktoren eine Rolle.
Zu den Risikofaktoren, die eine Osteoporose verstärken oder beschleunigen, zählen: Geringe körperliche Aktivität, langfristige Bettruhe, Kalzium- und Vitamin-D-Mangel, phosphat- und proteinreiche Ernährung, Koffein, Rauchen, Alkohol, Osteoporose in der Familie, niedriges Körpergewicht (unter 55 kg), bei Frauen zusätzlich eine frühe Menopause, das Ausbleiben der Monatsblutung für mehr als 6 Monate unabhängig von einer Schwangerschaft sowie die Entfernung der Eierstöcke.
Das macht der Arzt
Diagnosesicherung
Die Diagnose Osteoporose basiert zunächst auf dem klinischen Untersuchungsbefund und auf einer Befragung des Patienten nach Faktoren wie vorangegangenen Knochenbrüchen, familiärer Belastung, Ernährung, Bewegung und der Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Kortison). Laboruntersuchungen dienen dem Ausschluss sekundärer Formen (Kalzium- und Phosphatspiegel, AP; Kalzium und Phosphat im 24-Stunden-Sammelurin, Blutbild und Entzündungszeichen). Im Röntgenbild zeigen sich ab einem Verlust von mehr als 30 % der Knochendichte osteoporotische Veränderungen.
Der Übergang zwischen natürlichem Knochenabbau und Osteoporose ist fließend – zur Beurteilung misst der Arzt die Knochendichte (Knochendichtemessung, Osteodensitometrie). Die am häufigsten verwendete Methode hierfür ist die Doppel-Energie-Röntgenabsorptiometrie (DEXA, DXA), bei der an der Lendenwirbelsäule und an der Hüfte mit geringer Röntgenstrahlung gemessen wird. Das Ergebnis wird als T-Wert (T-Score) angegeben. Er ist ein Maß für die Abweichung der gemessenen Knochendichte vom Normalwert junger Männer bzw. Frauen, der durchschnittlichen maximalen Knochendichte (peak bone mass, PBM). Eine Abweichung ins Negative bedeutet eine geringere Knochendichte. Im Einzelnen wurde festgelegt:
- T-Werte zwischen -1 und -2,4: leicht erhöhtes Knochenbruchrisiko (präklinische Osteoporose)
- T-Werte unter -2,5 (entspricht einem Knochenverlust von ~30 %): stark erhöhtes Knochenbruchrisiko, besonders an den Wirbeln (Osteoporose).
Therapie
Osteoporose wird (oft bereits im präklinischen Stadium) medikamentös behandelt. Bei akuten und chronischen Rückenschmerzen werden bedarfsorientiert NSAR-Schmerzmittel ( z. B. Diclofenac) verordnet. Langfristiges Ziel der medikamentösen Therapie ist die Mineralisation der Knochen, ein verminderter Knochenabbau und ein vermehrter Knochenaufbau:
- Bisphosphonate gelten heute als die wirksamste Behandlungsmöglichkeit bei bestehender Osteoporose, sie hemmen die Aktivität knochenabbauender Zellen. Sie werden täglich oder einmal wöchentlich nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen, da sie so besser aufgenommen werden (z. B. Alendronat in Fosamax®). Eine verringerte Anzahl von Knochenbrüchen aufgrund der Osteoporose ist nachgewiesen für eine Einnahmedauer von 3–4 Jahren. Der Nutzen bei längerer Einnahme ist unklar.
Werden Bisphosphonate lange Zeit hochdosiert eingenommen, drohen als Nebenwirkung paradoxerweise Knochenbrüche. Knochenveränderungen als Nebenwirkung der Bisphosphonate betreffen Oberschenkelbrüche sowie Rückbildung von Knochengewebe (Osteonekrose) der Kieferknochen und des äußeren Gehörgang. Die Osteonekrose ist in diesem Fall eine Folge mangelnder Blutversorgung und äußert sich durch freiliegenden Knochen im Mundraum oder am Ohr. Dagegen hilft eine Medikamentenpause. Durch eine konsequente Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen verringern Patienten das Risiko für eine Rückbildung von Kieferknochengewebe. Vor Beginn der Behandlung sollte eine umfassende Zahnsanierung erfolgen. - Der monoklonale Antikörper Denosumab (z. B. Prolia® und Xgeva®) hemmt die Umwandlung von Vorläuferzellen in knochenabbauende Zellen (Osteoklasten). Der Wirkstoff wird subkutan injiziert. Zu möglichen Nebenwirkungen zählen eine Hypokalziämie, Immunschwäche und Osteonekrose im Kiefer, möglicherweise auch im äußeren Gehörgang.
- Kalzium: Bei den meisten Patienten ist eine Richtdosis von 1 000 mg täglich in Form einer Kalzium-Brausetablette (z. B. Calcium Sandoz fortissimum®) zu empfehlen.
- Vitamin D3: Der Einbau des Kalziums in das Knochengewebe erfolgt mit Hilfe von Vitamin D, empfohlen werden 800–1 000 I.E. täglich, z. B. Vigantoletten®.
- Kalzitonin ist als körpereigenes Hormon am Kalziumstoffwechsel beteiligt, hemmt die Aktivität knochenabbauender Zellen und lindert Knochenschmerzen. Als Medikament wird es deshalb vor allem bei akut schmerzhaften Wirbelbrüchen eingesetzt.
- Bei der postmenopausalen Osteoporose vermag eine Hormonersatzbehandlung den Knochensubstanzverlust aufzuhalten und das Risiko von Brüchen zu mindern. Bei einer Langzeithormonersatzbehandlung gilt es aber, das Nutzen-Risiko-Verhältnis abzuschätzen – so steigt z. B. die Anfälligkeit für Brustkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Alternative zur konventionellen Hormonersatztherapie bieten selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs, z. B. Raloxifen). Sie beeinflussen ähnlich wie die Östrogene den Knochenstoffwechsel, haben aber keinen Einfluss auf z. B. die Brust.
Für Frauen, die sich in der Postmenopause befinden und wegen eines hohen Frakturrisikos eine spezifische medikamentöse Behandlung brauchen, empfiehlt der Dachverband Osteologie (DVO) in seiner Leitlinie vier Biphosphonate als Mittel der ersten Wahl: Alendronat (z. B. Fosamax®), Risedronat (Actonel®), Ibandronat (Bonviva®) und Zoledronat (Aclasta®).
Zudem wird in der DVO-Leitlinie der selektive Östrogenrezeptormodulator Raloxifen (Evista®, Optruma®) empfohlen. Ebenfalls Mittel der ersten Wahl sind der Arzneistoff Strontiumranelat (Protelos®), das Parathormonfragment Teriparatid (Forsteo®) und das zusammengesetzte Parathyroidhormon PTH 1-84 (Preotact®).
Die Wirkstoffe Alendronat, Risedronat, Zoledronat, Strontiumranelat und Teriparatid sind auch für die Osteoporosetherapie von Männern zugelassen.
Die Bewegungstherapie ist bei Osteoporose besonders wichtig: Intensive Bewegung und Sport regen den Knochenstoffwechsel an. Besonders wirkungsvoll sind ein dosiertes und gezieltes Krafttraining und kraftbetonte Gymnastik. Kostengünstig und effektiv ist die Teilnahme an einer Osteoporose-Gruppe unter Aufsicht eines geschulten Sporttherapeuten oder Physiotherapeuten. Um die Muskelfunktion zu verbessern und den Stoffwechsel anzuregen, ist eine wöchentliche Teilnahme (besser zweimal pro Woche) notwendig. Zusätzlich müssen die erlernten Übungen selbstständig zu Hause durchgeführt werden.
Vorsorge
Die bereits im jüngeren Erwachsenenalter beginnende Osteoporoseprophylaxe hat größte individuelle, aber auch gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Echte Anstrengungen in Bezug auf die Vorbeugung sind deshalb angesagt. Dazu gehört der Aufbau maximaler Knochenmasse im jungen Erwachsenenalter und die Verlangsamung des physiologischen Knochenabbaus nach der Menopause und im Alter.
Bewegung. Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen! Nur durch intensive mechanische Belastung wird der Knochenaufbau angeregt. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass viel Bewegung in jugendlichen Jahren dazu beiträgt, eine höhere maximale Knochenmasse zu erreichen. Aber auch im fortgeschrittenen Alter sorgt sportliche Betätigung nicht nur für eine verbesserte Kondition, sondern senkt das Sturzrisiko und vermindert bei gleichzeitiger ausreichender Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung den Knochensubstanzverlust.
Ernährung. Achten Sie auf eine kalziumreiche Ernährung (~ 1 500 mg täglich) mit viel Joghurt, Milch, Käse, Gemüse, Nüssen und Mineralwasser. Meiden Sie Alkohol, Coca-Cola, Wurst, Schweinefleisch, Spinat und Rhabarber. Am Knochenstoffwechsel sind neben Vitamin D und Kalzium auch Vitamin C und E, Zink, Silizium, Mangan und andere Nährstoffe beteiligt.
Auch Trockenpflaumen wirken Osteoporose entgegen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Untersucht wurden 240 Frauen, die ihre Wechseljahre hinter sich hatten und unter fortgeschrittener Osteoporose litten. Die eine Hälfte der Teilnehmerinnen aß täglich 100 g Trockenpflaumen, die andere Hälfte die gleiche Menge getrockneter Äpfel. Zusätzlich bekamen alle Frauen Kalzium und Vitamin D. Nach einem Jahr hatte die Knochendichte der Frauen aus der Pflaumen-Gruppe deutlich zugenommen.
Osteoporosegefahr durch Medikamente. Besteht eine chronisch-entzündliche Erkrankung oder eine längerfristige Medikamenteneinnahme von z. B. Kortison oder Heparin, werden vorbeugend begleitend Vitamin D, Kalzium und Bisphosphonate verordnet.
Früherkennung. Ultraschalluntersuchungen des Fersenbeins und der Fingerknochen sowie die Knochendichtebestimmung an Handgelenk und Fingern werden zunehmend zur Früherkennung angewendet. Studien belegen, dass es sich für Frauen in den Wechseljahren lohnt, die Knochendichte bereits messen zu lassen, wenn sie noch keinen Knochenbruch erlitten haben. So können Ärzte eine Osteoporose frühzeitiger erkennen und Knochenbrüchen gezielter vorbeugen, z.B. mit Medikamenten.
Laboruntersuchungen sollen eine Osteoporose schon viel früher nachweisen können. Gerade mit der Messung von Desoxypyridinolin und Pyridinolin im Urin oder von Typ-I-Kollagen-Telopeptiden im Blut lässt sich ein gesteigerter Knochenabbau frühzeitig erkennen. Die Knochendichtemessung hingegen deutet erst dann auf eine Erkrankung hin, wenn bereits viel Knochenmasse verloren gegangen ist. Kritiker der Osteoporose-Labordiagnostik halten aber entgegen, dass sich die Werte von Gesunden und Kranken weit überlappen, also oft keine eindeutige Aussage möglich ist. Dies gilt besonders für die TRAP-Bestimmung. Sie ist nicht nur wenig sensitiv, sondern auch störungsanfällig.
Stürze vermeiden. Falls Sie bereits Osteoporose haben, machen Sie ihre Umgebung sturzsicher. Achten Sie in der Wohnung auf 100 % rutschfeste Böden und eine ausreichende Beleuchtung, beseitigen Sie herumliegende lose Kabel und Stolperkanten. Um bei einer ausgeprägten Osteoporose Oberschenkelhalsbrüchen vorzubeugen, gibt es Spezialhosen mit Hüftprotektoren.
Komplementärmedizin
Magnettherapie. Pulsierende Magnetfelder (Erklärung bei Rheumatoider Arthritis) regen nachweislich den Knochenstoffwechsel an und stimulieren das Knochenwachstum, daher wird das Verfahren bei der Osteoporose positiv bewertet.
Homöopathie. In der Homöopathie häufig eingesetzte Mittel (Homöopathika) sind z. B. Calcium carbonicum, Phosphorus, Pulsatilla, Sepia und Sulfur. Außerdem stehen verschiedene Komplexmittel (z. B. Calcium-Gastreu® NR 34) zur Verfügung. Wissenschaftliche Wirknachweise der homöopathischen Arzneimittel gibt es aber (derzeit) nicht.
Orthomolekularmedizin. Ob, abgesehen von Vitamin D3 ( rechts), hochdosierte Mineralstoffe, andere Vitamine und/oder Spurenelemente das Osteoporoserisiko verringern bzw. eine bereits bestehende Osteoporose günstig beeinflussen, ist umstritten. Derzeit lautet die allgemeine Empfehlung der Orthomolekularmedizin, nur dann eine Substitution durchzuführen, wenn ein Nährstoffmangel nachgewiesen wurde.
Weiterführende Informationen
- www.dgk.de – Suchbegriff Osteoporose – Unabhängige und fundierte Informationen vom Deutschen Grünen Kreuz e. V., Marburg.
- www.osteoporose-deutschland.de – Bundesverband für Osteoporose e. V., Düsseldorf: Dachverband der Selbsthilfegruppen.